Das Projekt
Die Idee
Während einer Planungsbesprechung für eine musikalische Fachtagung wurde die Idee „geboren“. Wir stellten fest, dass es gerade für den U3- Bereich einen Bedarf an interessanten neuen Kinderliedern gibt. Oft werden „traditionelle“ Lieder gesungen, die tatsächlich so alt sind, dass sie höchstwahrscheinlich schon von den Urgroßeltern der Kinder gesungen wurden. Wünschenswert wären neue zeitgemäße Lieder – insbesondere mit einem Fokus auf die Verknüpfung von Musik mit religionspädagogischen Inhalten.
Schließlich wurde ich vom Berufskolleg Bleibergquelle beauftragt, neue U3-Lieder zu schreiben und diese in einem musikalischen Projekt bei den „Quellenzwergen“ (einer U3-Kita am Bildungszentrum Bleibergquelle) einzubringen. Spontan begeisterte mich diese Herausforderung. Inzwischen befinde ich mich mitten in der praktischen Durchführung des Projektes, mache viele spannende Erfahrungen und lerne jede Menge dazu. Gerne möchte ich das Erlebte mit Ihnen teilen.
Die Vorbereitung
Durchgeführt werden sollte das musikalische Projekt bei den „Quellenzwergen“, einer U3-Kita. Dort können Mütter, die am Berufskolleg Bleibergquelle eine Ausbildung absolvieren, ihre Kinder unterzubringen. Die Kita befindet sich auf dem Gelände der Bleibergquelle in unmittelbarer Nähe zum Berufskolleg.
Bei unserem ersten Gespräch zeigte sich Beate Schmidt, die Leiterin der „Quellenzwerge“, sehr aufgeschlossen für die Idee. Im Alltag der Quellenzwerge spielt Musik und insbesondere das Singen schon immer eine wichtige Rolle. Auch sie hatte festgestellt, dass es zu wenig neue Lieder für U3-Kinder gibt. Und im Gegensatz zu Kindern, die Wiederholungen lieben, sind Mitarbeiter:innen die Lieder irgendwann leid, wenn Jahr für Jahr immer wieder die gleichen Melodien gesungen werden. „Wir brauchen neue Lieder, von denen die Erzieher:innen begeistert sind, damit sich die Begeisterung auf die Kinder übertragen kann.“
Die Entstehung der Lieder
Als „Nicht Insiderin“ war es für mich zunächst eine Herausforderung, einfache Lieder für U3-Kinder zu schreiben. Hilfreich waren die Gespräche mit Beate Schmidt und ihre Feedbacks zu meinen ersten Entwürfen. Oft kamen Reaktionen, wie: „Tolles Lied, aber eigentlich würde eine Strophe schon reichen.“ oder: „Könnte man diesen Teil nicht einfach weglassen?“
> WAZ vom 26. Mai 2022: „Lehrerinnen bringen Kinderliederbuch heraus“ (PDF)
Auch ihre thematischen Vorschläge nahm ich gerne auf. Inspirierend für meine Texte war die Möglichkeit, ein Stück normalen Kita-Alltag mitzuerleben. Diese praktischen Erfahrungen haben mir geholfen, weiter in die Welt der U3-Kinder „eintauchen“ und Worte zu finden für das, was ihren Alltag ausmacht. Und ich erinnere mich sehr gut an den freudigen Moment, als Beate Schmidt zu mir sagte: „Jetzt bist du richtig angekommen!“
Religionspädagogische Überlegungen
Wenn man mit U3-Kindern christliche Lieder singen möchte, stellt sich die Frage, inwieweit sie Inhalte erfassen können. Ist es sinnvoll, religiöse Inhalte weiterzugeben, bevor Kinder in der Lage sind, selbst zu sprechen?
Aus religionspädagogischer Perspektive gilt: „…das Kind macht seine ersten religiösen Erfahrungen, noch lange bevor es verstandesmäßig die Bedeutungstiefe des Wortes ‚Gott‘ ergründen kann und lange bevor es religiöse Lieder, Geschichten und Gebete versteht.“ (Möller/Tschirch, 2014, S.95)
Das heißt, dass schon die Allerkleinsten beim gemeinsamen Singen „ihre“ Erfahrungen machen. Diese ersten Eindrücke sind für die weitere religiöse Entwicklung von großer Bedeutung.
Patricia Wennemann-Gößling benennt vier Säulen der Religionspädagogik. Nicht nur durch die Vermittlung von religiösen Inhalten (Säule 4) bilden Kinder erste Glaubenswurzeln. Schon die ersten beiden Säulen tragen zur religiösen Bildung bei, indem die konkrete Lebenssituation der Kinder aufgegriffen wird und positive Grunderfahrungen ermöglichet werden. (vgl. Wennemann-Gößling, P. (2002): Religionspädagogik: Was ist das?)
Dazu sollen die Lieder in diesem Werkbuch beitragen:
1. Wertschätzung der Kinder: (bedingungslos geliebt und angenommen)
2. Vertrauensbildung bei Kindern (zu sich selbst, zu anderen und zu Gott)
3. Singend Gott und die Welt entdecken (Raum zum Staunen über Gottes Schöpfung)
Musikalische Überlegungen
Wie früh sollten wir beginnen, mit Kindern zu singen? Was ist für sie möglich?
U1-Kinder: Natürlich können die unter Einjährigen noch nicht richtig mitsingen, aber sie beobachten die Singenden sehr aufmerksam und genießen den Gesang. Auf diese Weise können erste wichtige Erfahren mit Musik gemacht werden.
U2-Kinder: Sie können einfache unterstützende Bewegungen zu den Liedern mitmachen, die von den Erzieher:innen vorgemacht werden, und einzelne Worte oder kleine Passagen mitsingen.
U3-Kinder: Mit der Erweiterung des Sprachschatzes wird es den Kindern immer mehr möglich, größere Passagen mitzusingen.
Musikalische Umsetzung
Intonation: Für die Lieder habe ich Tonlagen gewählt, die sowohl für die hohen Kinderstimmen als auch für die tieferen Erzieher:innen-Stimmen angenehm sind.
Melodien: Die Melodien (besonders die Refrains) sind eingängig. Sie lassen sich schnell erlernen und bleiben gut im Gedächtnis.
Harmonien: Für die Harmonien habe ich mich nicht nur auf (bei Kinderliedern häufig angewendete) „Dur“ Tonarten beschränkt. Es sind auch Lieder in „Moll“ dabei, weil sie das musikalisch-emotionale Empfinden der Kinder bereichern können.
Praktische Durchführung
Regelmäßig einmal in der Woche besuche ich die „Quellenzwerge“ und singe mit ihnen unterschiedliche Lieder aus dem neu entstandenen Repertoire. Ich bin erstaunt, wie begeistert die Kinder reagieren und wie schnell sich die Lieder bei den Kindern einprägen. Auch an Tagen, an denen ich nicht vor Ort bin, singen die Mitarbeiter:innen der „Quellenzwerge“ die Lieder. Inzwischen gehören die Lieder zum festen Bestandteil des Alltags in der Kita.
Aus dem Wunsch der Eltern dieser Kinder, die Lieder auch zu Hause singen zu können, entstand die Idee zu diesem Werkbuch.
Selbst im Corona-Lockdown hat sich das Projekt weiterentwickelt. So entstanden weitere Lieder auch für Ü3-Kinder im Zusammenhang mit der geplanten Erweiterung der „Quellenzwerge“.
Im Online-Unterricht haben wir den Schüler:innen und Studierenden des Berufskollegs die Lieder vorgestellt. Sie beschäftigten sich intensiv mit den einzelnen Liedinhalten, schrieben Liedanalysen und entwickelten kreative Gestaltungsideen mit Geschichten, Liedern und Aktionen. Insgesamt haben sich etwa 150 Studierende und Schüler:innen aus sieben Klassen daran beteiligt.
Gleichzeitig wurde das Thema von meiner Kollegin im Kunstunterricht aufgenommen. In zwei Klassen haben Schüler:innen zu den Liedern passende Grafiken für die Buchgestaltung gestaltet.
Wir sind überwältigt von den kreativen Beiträgen unserer Schüler:innen und Studierenden.
Viele der Ideen haben wir in der Kita ausprobiert und die vielfältigen Ergebnisse werden nun in diesem Werkbuch veröffentlicht.
Petra Halfmann
Literatur
Möller R., Tschirch R., (2014) Arbeitsbuch Religionspädagogik für ErzieherInnen, Verlag Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Wennemann-Gößling, P. (2002): Religionspädagogik: Was ist das? In: Textor, M.R.; Bostelmann, A.: Das Kita-Handbuch. Online > hier abrufbar (21.02.22)